Veranstaltung: | Dezember KMV |
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Tagesordnungspunkt: | 3 Papier "Wärmewende für Berlin" |
Antragsteller*in: | Kreisvorstand Reinickendorf (dort beschlossen am: 08.12.2020) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 08.12.2020, 22:14 |
A1: Wärmewende für Berlin
Antragstext
Wärmewende für Berlin - Was aus den verschiedenen Meetings folgt
- Die BET-Studie, erstellt im Auftrag von Vattenfall und Senatsverwaltung
UVK, setzt sich nicht das Ziel, die 2-Grad-Klimaerwärmungsgrenze
einzuhalten, oder bis 2035 fossilfrei zu sein, wie inzwischen nicht mehr
nur von der Wissenschaft gefordert wird.
- In der BET-Studie wurden dezentrale Alternativen zu einem anvisierten
Hybrid-Gas-Wärmekraftwerk weder in alle Richtungen noch in aller Tiefe
untersucht. Hier vermissen wir jedwede nennenswerte Ambition zur möglichst
raschen Dekarbonisierung. Es blieb vor allem bei bisher traditionellen
Gas-Heiztechniken[1]. Insbesondere wurden für den Einsatz von Geothermie
Angaben nur zu einem Standort, dem Kraftwerk in Moabit, gemacht. Eine
Einbeziehung unterschiedlicher Techniken der Geothermie an vielen
dezentralen Stellen fehlt. Der Einsatz von einem möglichst großen
Potenzial an dezentralen Wärmepumpen wird nicht in Betracht gezogen.
- Die BET-Studie geht davon aus, dass Wärmeerzeugung aus dezentralen Anlagen
durch Verdichtung und Erweiterung des Fernwärmenetzes verdrängt wird.[2]
Hier wird das eigentliche Ziel von Vattenfall deutlich, den Marktanteil
der FW noch auszuweiten, obwohl kein klimakompatibles Konzept für die
bereits bestehende FW-Versorgung vorgelegt wird. Das kann es nicht sein.
- Der Ausstieg aus fossilem Gas soll laut BET-Studie mittels des geplanten
Hybrid-Gas-Wärmekraftwerks erst ab ca. 2040 erfolgen. Die Aussichten
stehen jedoch sehr schlecht, dass zu diesem Zeitraum bereits EE-
Wasserstoff in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen wird. Außerdem
stellt sich die Frage, ob es vertretbar ist, den in aufwendigen Verfahren
mit hohen Umwandlungsverlusten (Verluste ca. 80%!) hergestellten
Wasserstoff für die Gebäudeheizung zu verbrennen. Hier wird „die Rechnung
ohne den Wirt“ gemacht.
- Ein ähnliches Problem besteht darin, dass die Einbeziehung der
Müllverbrennungsabwärme aus Ruhleben auf unkalkulierbaren Füßen steht.
Ziel grüner Politik ist es, die zu verbrennende Restmüllmenge möglichst
schnell herunterzufahren. Dann kann aber Vattenfall nicht mehr in dem
geplanten Maß darauf zurückgreifen.
- Vattenfall hat ein absolutes Monopol für die FW-Versorgung in seinem
Versorgungsgebiet. Die Zulassung von Wärmeeinspeisungen anderer Anbieter
widerspricht dem wirtschaftlichen Interesse des Monopolisten.
- Die BET-Studie verfolgt die Interessen des Monopolisten auf seine Weise
und allein in seinem Verständnis.
- Es gibt seit Beauftragung der BET-Studie neue Erkenntnisse, die dort nicht
eingearbeitet worden sind. Einige davon sind hier aufgelistet:- Über die Klimaschädlichkeit von Erdgas: Leckagen bei der Förderung
und auf den Transporten, ungeregelte Methanausleitung in die
Atmosphäre bei Stilllegung der Förderstandorte, Umweltzerstörung bei
Gas-Fracking usw. - Über klimafreundliche Alternativen der Wärmegewinnung: aus Tiefen-
Geothermie, aus Oberflächengewässern im Sommer - Über neue Technologien zur übersaisonalen Energie- bzw.
Wärmespeicherung: Eisspeicher[3], Tiefenwärmespeicher[4],
Hochtemperatur-Stahlspeicher[5], Wasserstoffspeicher[6] u.a. - Über neue effizientere Solarmodule für PV-Anlagen[7], wodurch die
dezentrale Energiegewinnung für Strom und damit für den Betrieb von
dezentralen Wärmepumpen platz- und kostengünstiger wird. - Optionen zur Energiegewinnung für die Wärmeversorgung aus Flächen in
Brandenburg fehlen in der BET Studie. Das gilt insbesondere für die
umfangreichen Flächen, die den „Stadtgütern Berlin“ gehören.
- Über die Klimaschädlichkeit von Erdgas: Leckagen bei der Förderung
- Auf Vattenfall und sein geplantes Hybrid-Gas-Wärmekraftwerk kann nur durch
gesetzliche Rahmenbedingungen eingewirkt werden: Die Initiative
„Kohleausstieg Berlin“ (KAB) schlägt dafür eine immer schärfere EE-Quote
und immer schärfere CO2-Grenzwerte vor.[8] Ein weiterer Hebel muss die
CO2-Bepreisung in einer deutlichen Höhe von 180 € je Tonne werden. Damit
würde die fossile Fernwärme unwirtschaftlich. Dies ist Angelegenheit des
zukünftigen Bundestages.
- Was von der Novelle des Berliner Energiewende-Gesetzes vom 17.03.2016
(EWG) zu erwarten ist, ist noch unklar. Ein geplantes Erneuerbare-Wärme-
Gesetz (EWärmeG) soll von der Novellierung des EWG abhängig gestaltet
werden.
- Wir sehen in der BET-Studie keine geeignete Grundlage, das Fernwärme-
Versorgungsgebiet 1 schnell auf CO2-Neutralität umzustellen. Die
politischen Einwirkungsmöglichkeiten auf Vattenfall sind begrenzt.
- Stattdessen sollten wir uns auf den viel größeren Teil der Wärmeversorgung
in Berlin (70 Prozent gegenüber 30 Prozent Fernwärme) konzentrieren, der
weitgehend dezentral erfolgt.
- Hier muss massiv in Energieeinsparung in Form von Wärmedämmung investiert
werden, um unter Abkehr vom Erdgas dann genügend erneuerbare Energien vor
Ort und als Zulieferung aus Brandenburg für den Restenergiebedarf
einsetzen zu können.
- Unter den gegebenen Umständen können wir Grünen nicht für eine Ausweitung
der Fernwärme auf Kosten dezentraler Lösungen eintreten. Besser: Wir
sollten dies verhindern. Die Monopolisierung verhindert Wettbewerb, macht
flexible Lösungen weitgehend unmöglich und ist mit politischen Maßnahmen
schwer zu beeinflussen.
- Wir Bündnis-Grünen in Reinickendorf sollten auf der Grundlage des nun
gesammelten, aber immer noch vorläufigen Wissens in der Landespartei in
Abstimmung mit der LAG Energie die dargestellte oder eine ähnlich
formulierte Position vertreten.
[1] Untersucht wurden diese Heizungs-Kombinationen: Dezentrales Gas-
Blockheizkraftwerk und Gaskessel, Solarthermie und Gaskessel, Luft-Wärmepumpe +
PV-Anlage + Gaskessel
[2] Kurzfassung BET-Studie, S. 11
[4] Das EU-Projekt HEATSTORE: https://www.heatstore.eu/ auf Berlin übertragbar?
[5] Mit dem Innovationspreis Berlin-Brandenburg 2020 ausgezeichnetes
Pilotprojekt Hochtemperatur-Stahlspeicher im Heizhaus II am Bottroper Weg in
Berlin-Tegel: https://lumenion.com/anwendungen ,
siehe auch Inforadio-Bericht vom 28.11.2020:
https://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/wirtschaft_aktuell/202011/28/-
innovationspreis-berlin-brandenburg-lumenion.html
[6] saisonaler Energiespeicher im Zusammenspiel mit PV-Anlage, Batterie,
Elektrolyseur und Brennstoffzelle im komplett energieautarken Einfamilienhaus:
https://www.homepowersolutions.de/produkt#content
[8] Vortrag von Saskia Machel auf LAG Energie am 05.11.2020